Setzen sich für die Beberburg als SpeicherWald ein: Andreas Memmert (re.) und Heinrich Engler. - Foto: Verein zum Schutz der Beberburg
Die Beberburg wird SpeicherWald
Niedersächsisches Waldstück wird dauerhaft geschützt
Die Beberburg – ein 13 Hektar großer Wald im niedersächsischen Harzvorland – darf sich komplett ohne Eingriff des Menschen entwickeln und soll ein „Urwald von morgen“ werden. Das war nicht immer so: Bis zum Jahr 2000 wurde die Beberburg forstlich genutzt wie rund 98 Prozent der deutschen Wälder. Dann hat sich der Verein zum Schutz der Beberburg gegründet und beschlossen, den Wald zu schützen und in Zukunft sich selbst zu überlassen.
Wie es dazu kam und was die Beweggründe waren, hat uns Gründungsmitglied Andreas Memmert, Bürgermeister der Gemeinde Schladen-Werla, erzählt:
Projekt SpeicherWald: Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, Wälder wie die Beberburg sich selbst zu überlassen?
Andreas Memmert: Bei uns in der Region wirkt sich der Klimawandel jetzt schon aus. Letztes Jahr waren wir zum Beispiel von Starkregenereignissen und Hochwasser betroffen. Der Wald ist für uns extrem wichtig als Wasserspeicher. Doch das ist nicht der einzige Vorteil: Er filtert und kühlt die Luft und ist ein wichtiger Lernort für Kinder und Jugendliche.
Wir wissen auch, dass sich Menschen in Naturwäldern ganz anders erholen können. Die Lebensqualität wird völlig anders wahrgenommen und die ist uns in der Gemeinde sehr wichtig. Wir Menschen sind oft gestresst und haben viele Krankheiten. In der natürlichen Umgebung werden wir schneller wieder gesund. In meinen Augen hat der Wald eine bedeutende Heilungsfunktion. Wir brauchen wieder Regionen, in denen man das erleben kann!
Im Jahr 2000 sind Sie selbst aktiv geworden und haben mit dem Verein ein Stück Wald aus der Nutzung genommen. Was genau hat Sie und die anderen Vereinsmitglieder dazu veranlasst, den Verein zum Schutz der Beberburg zu gründen?
Zu dem Zeitpunkt stand die Beberburg von einem Privateigentümer zum Verkauf. Genau nebenan befinden sich Flächen für den Kiesabbau und wir haben befürchtet, dass der Nachbar den Wald kauft und für weitere Kiesgruben abholzt. Deshalb haben wir den Verein zum Schutz der Beberburg gegründet, um den Wald zu erwerben und ihn vor diesem Schicksal zu bewahren. In der Vereinssatzung steht festgeschrieben, dass der Wald für Naturschutzzwecke sich selbst überlassen werden soll.
Was genau können wir uns unter der Beberburg vorstellen? Und woher kommt der ungewöhnliche Name?
Bei der Beberburg handelt es sich um einen Auwald – ein sehr selten gewordener Lebensraum. Es ist ein Mischwald mit verschiedenen Baumarten: Es gibt einen kleinen Fichtenbestand, aber auch Erlen, Eschen, Buchen und Pappeln. Eine schöne Randstruktur und Sukzession sind zu beobachten. Der Wald ist gut 150 Jahre alt, der Fichtenbestand etwa 60 Jahre. Die letzten Bäume wurden vor etwa 60 gepflanzt, gefällt wurde in der Beberburg zuletzt vor circa 25 Jahren.
Ich vermute, dass sich der Name Beberburg von „Biberburg“ ableitet. Wir befinden uns in einer Flussterrassen-Landschaft im Nördlichen Harzvorland in Niedersachsen. Hier gibt es viel Wald und Wasser, das heißt, auch der Biber hat schon immer die Landschaft mitgestaltet.
Die Oker, die Ilse und die Warne fließen hier und bilden Auwälder und kiesige Terrassen. Der größte Teil der Wälder wurde jedoch in Ackernutzung oder Kiesgruben umgewandelt. Übrig blieb die Beberburg zwischen Heiningen und Schladen.
Was hat sich seit dem Jahr 2000 verändert? Und wie sieht Ihr „Urwald von morgen“ aus?
Seit dem Jahr 2000 passiert forstwirtschaftlich gar nichts mehr und der Wald wird dauerhaft geschützt. Die Natur darf hier Natur sein. Das heißt, die Forstwege sind zugewachsen, Totholz bleibt liegen und durch eine Vereinbarung mit der Jägerschaft werden auch die Wildtiere möglichst nicht gestört. Es leben siebzig bis achtzig Vogelarten im Gebiet der Beberburg und des angrenzenden Archäologie- und Landschaftsparks Kaiserpfalz Werla, darunter auch seltene Arten wie Schwarzstorch, Nachtigall oder Eisvogel. Auch acht Rotmilane wurden schon beobachtet.
Wie sind Sie vorgegangen, um den Wald aus der Nutzung zu nehmen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Es ist wichtig, lokale Akteure mit einzubinden. Es braucht natürlich ein paar Stakeholder, die man für sich gewinnen muss. Wir haben hier großes Glück mit den Förstern, die uns sehr unterstützen. Wenn man es fair macht und alle Beteiligten gut informiert werden, gibt es keinen Gegenwind. Selbst die örtlichen Banken haben uns unterstützt und die Medien berichten durchweg positiv. Es gab ein regelrechtes Mediengewitter!
Man ist jetzt offener für Naturschutz- und Umweltthemen. Auch die Landwirte sehen die Notwendigkeit zu handeln. Vor allem nach den brutalen Hochwasser-Ereignissen im letzten Jahr. Die Herzen sind offen und die Mitglieder im Verein wollen aktiv etwas in der Welt verändern.
Wer engagiert sich in Ihrem Verein für naturbelassene Wälder?
Wir sind etwa sechzig Mitglieder: Menschen wie Du und ich, also ein normaler Querschnitt durchs Dorf. Am Anfang brauchte es ein paar besonders motivierte „Motoren“, die weitere Menschen für das Thema Naturwälder begeistern konnten. Dazu gehörten zum Beispiel auch NABU-Mitglieder wie der damalige Feuerwehrchef Heinrich Engler, der den Vereinsvorsitz übernahm und ich, damals ehrenamtlicher Bürgermeister in Heiningen.
Es wurden verschiedene Feste organisiert, um Spenden zu sammeln: Ich habe dabei zum Thema Klimawandel referiert und die Vorteile von Naturwäldern erklärt. Inzwischen macht das halbe Dorf mit und auch der Gemeinderat steht hinter dem Verein.
Können auch Menschen die Beberburg genießen und sich informieren, die nicht im Verein aktiv sind?
Auf jeden Fall, Spaziergänger sind immer willkommen! Wir möchten auch gerne eine Infotafel aufstellen, um über die Vorteile von Naturwäldern zu informieren. Außerdem möchten wir ein großes auffälliges Banner an der ehemaligen Bundesstraße aufhängen, das verkündet, dass wir beim SpeicherWald-Projekt mitmachen.
Wie sieht es mit einer Vergrößerung des Gebietes und angrenzenden Gebieten aus?
Es macht Sinn, zusammenhängende große Flächen dauerhaft zu schützen. In der näheren Umgebung wird gerade die Ausweitung von dreißig Hektar Heininger Wald, Flächen der Werla, Naturschutzflächen an den Kiesteichen und dem Kleinen Fallstein diskutiert. Wir im Verein sind sehr begeistert und unterstützen die Idee, weitere Flächen aus der Nutzung zu nehmen.
Besitzt Ihre Gemeinde Wald? Darf sich davon auch ein Teil natürlich entwickeln?
Die Gemeinde Schladen-Werla besitzt rund achtzig Hektar Wald, davon sollen jetzt etwa zehn bis zwanzig Hektar sich selbst überlassen werden. Zusätzlich bieten wir tolle Aktionen an. Zum Beispiel wurden vor drei Jahren 10.000 Bäume von Schulkindern im Rahmen der „Plant for the Planet“-Kampagne gepflanzt.
Was wünschen Sie sich über den Schutz „Ihres“ Wäldchens hinaus?
Ich wünsche mir eine größere Bereitschaft von privaten wie auch von öffentlichen Waldbesitzern, ein Stück der Natur zurückgeben sowie die Gebiete miteinander zu vernetzen. Ich möchte, dass die negativen Auswirkungen der Menschen auf die Natur – zum Beispiel durch Luftverschmutzung und Erderwärmung – wieder etwas abgemildert werden. Wir brauchen viel mehr Flächen, die sich selbst regulieren.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Memmert! Wir hoffen, dass viele Waldbesitzer von Ihrem Verein und unserem Projekt inspiriert werden und dem Beispiel der Beberburg folgen. Wir freuen uns, dass die Beberburg ein Botschafter für Naturwälder ist!
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