Warum brauchen wir Naturwälder?
Vier Botschaften des SpeicherWald-Projekts
Naturwälder sind ein wichtiges Puzzleteil der nationalen und internationalen Klima- und Artenschutzbemühungen. Das bedeutet: Unbewirtschaftete Wälder schützen das Klima und tragen erheblich zur biologischen Vielfalt bei, sie sind wichtig für uns Menschen und leisten zudem einen entscheidenden Beitrag zu internationalen Abkommen.
1. Naturwälder schützen das Klima
Unabhängig von der Bewirtschaftungsweise steht der Wald in enger Wechselwirkung mit dem Klima, lokal und global. Lokal hat der Wald einen ausgleichenden Einfluss auf das Umgebungsklima, er filtert beispielsweise Feinstäube aus der Luft, kühlt die Luft in der warmen Jahreszeit, reinigt und speichert Wasser.
Im Naturwald können sehr hohe Biomassevorräte (lebend und abgestorben) aufgebaut werden. Durch Holzzersetzungsprozesse erhöht sich langfristig der Humusanteil und damit auch der Kohlenstoffvorrat im Boden. Auch dem Waldboden kommt damit bezüglich des Klimaschutzes eine besondere Bedeutung zu. Die Anreicherung von Biomasse entzieht der Atmosphäre rasch Kohlenstoff und ist damit eine „Sofortmaßnahme“ beim Klimaschutz.
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Durch den Verzicht auf die Bewirtschaftung von Naturwäldern wird der Boden geschützt und die Bodenfunktionen bleiben erhalten. Eine dieser wichtigen Funktionen wird vom Porensystem des Bodens übernommen. Dieses feine Netz aus Kanälchen und Hohlräumen nimmt große Mengen an Wasser auf, speichert es, transportiert Nährstoffe und sorgt für die Belüftung des Bodenkörpers. Insbesondere Humus und Totholz wirken wie Schwämme und erhöhen die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. Die Verdunstung des Wassers aus dem Boden und der Biomasse wirkt kühlend auf den Wald und seine Umgebung. Dadurch kann sich der Wald selbst vor starken Hitzeereignissen und Trockenperioden schützen. Die kühlere Luft kommt gleichsam den Menschen zugute.
Das Vorhandensein von Naturwäldern – mit dem Potenzial, große Mengen lebender und toter Biomasse aufzubauen und damit vielfältige Lebensräume entstehen zu lassen – fördert den Erhalt der biologischen Vielfalt und damit die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems gegenüber Umweltveränderungen. Von Naturwäldern können wir lernen, wie sich der Wald an den Klimawandel anpasst, um daraus Rückschlüsse für eine naturnahe Waldbewirtschaftung ableiten zu können.
2. Naturwälder sind wichtig für die biologische Vielfalt
In Naturwäldern können Bäume ihr natürliches Lebensalter erreichen und älter werden als im Wirtschaftswald. Alte Wälder bieten jede Menge Klein- und Kleinstlebensräume für waldtypische Arten, darunter viele seltene und bedrohte Waldarten.
Zentrale Elemente für eine hohe Vielfalt an Waldarten sind unter anderem eine lange Lebensraumkontinuität, eine hohes Alter der Bäume und damit ein großes Angebot an unterschiedlichen Kleinstlebensräumen (wie Höhlen, abgeplatzte Borke oder aufgestellte Wurzelteller), hohe Biomassevorräte lebender und toter Bäume sowie ein Nebeneinander aller Waldentwicklungsphasen, insbesondere der Alters- und Zerfallsphase.
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- In Naturwäldern können Bäume uralt werden. Die räumliche und zeitliche Dynamik der verschiedenen Waldentwicklungsphasen macht Waldökosysteme vielfältig und damit artenreich. Vor allem in den Alters- und Zerfallsstadien von Bäumen und Wäldern bildet sich eine große Vielfalt an Lebensraumstrukturen heraus. Etwa ein Fünftel der gefährdeten Arten auf den Roten Listen sind auf diese Stadien angewiesen.
- Langfristig – teils über Hunderte von Jahren hinweg – können typische Strukturen alter Wälder wieder entstehen. Die abwechslungsreichen, komplexen horizontalen und vertikalen Strukturen bieten eine Vielzahl von Lebensräumen, zum Teil auf engstem Raum. Diese sind wichtige Rückzugs- und Reproduktionsräume für typische Bewohner alter Wälder. In naturnahen Buchenwäldern zum Beispiel hat man 250 bis 300 verschiedene Sonderstrukturen je Hektar nachgewiesen, im bewirtschafteten Buchenwald nur 50.
- Charakteristisch für Naturwälder sind Störungsflächen wie sie zum Beispiel durch Insektenmassenvermehrung oder Windwurf entstehen. Diese Flächen regenerieren sich ohne menschliche Eingriffe im Sinne „Die Natur Natur sein lassen“. Störungsflächen sind Hotspots der biologischen Vielfalt. Auf kleinstem Raum gibt es dort zahlreiche Sonderstrukturen – wie Totholz, offene lichtdurchflutete Bereiche oder dichte Verjüngungsinseln – auf die spezialisierte Tierarten angewiesen sind.
- Totholz nimmt eine zentrale Rolle als Habitat und Strukturelement in (Natur-)Wäldern ein. Es ist die Lebensgrundlage für eine Vielzahl von größtenteils geschützten Tierarten, wie zum Beispiel Spechten und Fledermäusen sowie Insekten, Pilze und Moose, die sich auf seine Zersetzung spezialisiert haben. Alleine 1.300 Käfer- und 1.500 Pilzarten sind in Deutschland vom Lebensraum Totholz abhängig. Zum Teil haben sie hohe Ansprüche an Totholzqualität und -quantität.
- Naturwälder mit einer langen Waldkontinuität, das heißt einer langen Waldgeschichte, sind aus Sicht des Naturschutzes von besonderem Interesse. Sie enthalten eine hohe Artenzahl an krautigen Waldarten und insbesondere für ausbreitungsschwache Arten wie Pilze, Moose, einige Gefäßpflanzen und immobile Insektenarten ist eine hohe Waldkontinuität bedeutsam. Beispielsweise sind 115 Käferarten in Deutschland an die Kontinuität des Lebensraumes Wald gebunden.
3. Naturwälder sind wichtig für uns Menschen
Wälder leisten eine Menge für den Menschen und schaffen die Basis für grundlegende Bedürfnisse – man spricht von Ökosystemleistungen. Dazu gehören regulierende Leistungen (z. B. Erosionsschutz, Hochwasserregulierung), die Bereitstellung bestimmter Güter (z. B. Luft, Holz) und kulturelle Leistungen (z. B. Erholung, Bildung).
In Naturwäldern erleben Menschen eine ungewohnte Strukturvielfalt, die oft als „wild“ empfundenen wird und nicht unseren vertrauten Sehgewohnheiten entspricht. Dieser emotionale Zugang zu Naturwäldern macht sie als kulturellen Ort, Erlebnisraum und Lernort bedeutsam. Naturwälder können dazu beitragen, dass Menschen wieder „echte“ Natur kennen lernen bzw. natürlichen Prozessen erleben können.
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- Regulierende Funktion: Der Wald ist Feinstaubfilter, bietet Lärm-, Sicht-, Erosions- und Lawinenschutz, reguliert das Klima und Hochwasserereignisse.
- Bereitstellende Funktion: Der Wald hält Luft und Lebensraum, Medizin, Nahrung, Trinkwasser und Holz bereit. Er ist Existenzgrundlage für 1,6 Milliarden Menschen weltweit. Naturwälder werden gern von Menschen besucht und sind beliebte Ausflugsziele wodurch die wirtschaftliche Entwicklung einer Region gefördert wird.
- Kulturelle Funktion: Der Wald trägt als Erholungsort zu unserer Gesundheit bei. Er bietet die Möglichkeit für sportliche Aktivitäten sowie einen Raum der Ruhe und Entspannung. Viele Menschen genießen die Schönheit insbesondere von Naturwäldern oder suchen in einer zunehmend technisierten und strukturierten Welt Wildnis und Inspiration. Wälder sind für die Forschung und als (Umwelt-)Bildungsort unverzichtbar. Vor allem in nichtbewirtschaften Naturwäldern können wir zum Beispiel beobachten, welche Baumarten bei verändertem Umweltbedingungen von Natur aus am besten wachsen und wie sich Wälder an veränderte Klimabedingungen langfristig anpassen. Naturwälder liefern neue Erkenntnisse und sind so Lernflächen für naturnahe Bewirtschaftungsweisen.
4. Naturwälder leisten einen Beitrag zur Erfüllung internationaler Abkommen und zum globalen Schutz unserer Wälder.
Die beiden wichtigsten internationalen Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt und zum Klimaschutz müssen zusammen betrachtet werden, um die dort formulierten Ziele zu erreichen. Als eines der reichsten Länder der Welt muss Deutschland bereit sein, Wald aus der Bewirtschaftung zu nehmen, um global Verantwortung zu übernehmen. Naturwälder sind wesentlicher Bestandteil des Artenschutzes – langfristig können wieder intakte Ökosysteme entstehen. Durch die Produktion von Biomasse wird Kohlenstoff gebunden – eine direkte Klimaschutzmaßnahme. Naturwälder leisten beides: Natur- und Klimaschutz.
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Klima- und Naturschutz sind zwei sich ergänzende globale Ziele, die stets zusammen gedacht werden müssen. Das eine geht nicht ohne das andere und umgekehrt.
Im neuen internationalen Klimavertrag (Pariser Abkommen, 2016) werden erstmalig in der Geschichte der Klimaverhandlungen Maßnahmen zum Waldnaturschutz verankert. Insbesondere die Bewahrung und Erweiterung der Kohlenstoffsenkenfunktion von Wäldern und Mooren wird hervorgehoben. Naturwälder sind durch die dauerhafte Bindung von Kohlenstoff ein wesentlicher Bestandteil, um die internationalen Klimaschutzziele zu erreichen.
Als Unterzeichner des internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD 1992) verpflichtet sich Deutschland, den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Für den Schutz der Biodiversität sind das Vorkommen alter Bäume, Waldentwicklungsphasen und der natürliche Prozess des natürlichen Absterbens von besonderer Bedeutung. Positive Verknüpfungen zum Klimaschutz ergeben sich, weil biologisch diverse Ökosysteme einen positiven Einfluss auf den Stoff-, Wasser- und Energiekreislauf im System haben. Der Schutz bestehender und die Ausweisung neuer Naturwälder ermöglichen sowohl die Sicherung des bestehenden Kohlenstoffvorrats und die weitere Kohlenstoffbindung als auch den Erhalt der biologischen Vielfalt.
Weitere Informationen:
- Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD): www.cbd.int
- Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC): www.unfccc.int
Mehr über das Projekt
Welche Zusammenhänge zwischen Wald und Klimaschutz gibt es? Und wie kann man das Interesse der Bevölkerung an möglichst naturnahen Wäldern wecken? Mit diesen und anderen Fragen setzen sich NABU und Klima-Bündnis im Projekt SpeicherWald auseinander. Mehr →
Die Kontaktdaten unserer Projekt-Mitarbeiter von Klima-Bündnis und NABU finden Sie hier. Mehr →